Lothar Hartmann
Als Lothar Hartmann Ende der 1960er Jahre von Hessen nach Westberlin zog, war das geteilte Berlin nicht nur Frontstadt im Kalten Krieg der Supermächte, sondern zugleich auch brisanter Schauplatz innergesellschaftlicher Umbrüche. Offensichtlicher als anderswo waren die Widersprüche einer aufstrebenden Metropole im Nachkriegsdeutschland immer präsent. Eine sich immer schneller entwickelnde Konsumkultur bestimmte das Erscheinungsbild der Stadt und konnte doch die Narben der Vergangenheit nicht verdecken. In dieser Aufbruchsstimmung, vermochte auch das Neue nicht lange neu zu sein.
Diese Bilder vom ständigen Wandel wollte Lothar Hartmann bewahren. Der gelernte Farbenlithograph begann zu fotografieren. Sein genauer Blick lässt ihn Dinge sehen, die unbedeutend erscheinen und doch so vieles bloßlegen. Menschen fotografiert er selten, wohl aber die Spuren ihres tätigen Lebens.
Ausgehend von der spontanen Faszination vieler Details, begab er sich bald auf zielgerichtete Motivsuche. In den Hinterhöfen von Kreuzberg entdeckte er viele Relikte unterschiedlicher Zeiten: alte Schilder, abgerissene Plakate, lässig übertünchte Schriften und Wohlstandsmüll.
Lothar Hartmann versteht seine Fotos als Zeitdokumentation, frei von Zufälligkeiten. Das neutrale Licht und die Frontalität der Objekte ohne perspektivische Raumdarstellung verstärken diesen Eindruck. Alle Motive werden gleich behandelt. Er fotografiert eine vorgefundene Situation in Augenhöhe, ohne die Orte zu verändern oder die Dinge zu arrangieren. Und doch wird seine Vorliebe für ästhetische Harmonien der Bildsprache spürbar. Bei der Serie der Kaugummiautomaten fesselt ihn der farbige Zusammenklang der Wände mit den technoiden Apparaten und bei den Aufnahmen, die in Hvide Sande (Dänemark) entstanden, wirken die Fenster der Fischerschuppen wie Bilder im Bild.
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